Umweltschutz in Österreich

Oral History im Geschichtsunterricht


Ereignisse einer zeitgeschichtlichen Umweltgeschichte aus österreichischer Perspektive

 

Hier findet man ...

  • einen Zeitstreifen zu ausgewählten umweltgeschichtlichen Ereignissen, welche die Wahrnehmung des Umweltschutzes in Österreich beeinflussten
  • Kurzinformationen zu ausgewählten Ereignissen und Debatten

Zeitstreifen zu umweltgeschichtlichen Ereignissen/ Österreich


Kurzinfos zu ausgewählten Ereignissen und Debatten


Zwentendorf (1977/1978)

 

Im niederösterreichischen Zwentendorf wurde ab 1972 an einem Atomkraftwerk gebaut. Der Bau wurde von der Bundesregierung unter ÖVP-Kanzler Josef Klaus 1969 genehmigt. Die SPÖ-Alleinregierung von Bundeskanzler Bruno Kreisky wollte das Atomkraftwerk im Jahr 1978 in Betrieb nehmen. Ab 1972 protestierten Mitglieder der „Anti-Atomkraft-Bewegung“ sowie breite Teile der Bevölkerung gegen die geplante Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. Die ÖVP war allgemein für einen Einsatz von Atomenergie, aber ab dem Jahr 1977 waren sie gegen das Atomkraftwerk in Zwentendorf. Die SPÖ entschied sich dafür, dass eine Volksabstimmung durchgeführt werden soll, was viele Kritiker des Projekts schon längere Zeit gefordert hatten. Bundeskanzler Bruno Kreisky sagte, er würde bei einem „Nein“ zum Atomkraftwerk Zwentendorf zurücktreten. Die ÖVP und die FPÖ argumentierten gegen das Atomenergieprojekt. Am 5. November 1978 stimmten 50,5% bei der Volksabtstimmung in Österreich gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf. Bruno Kreisky trat in der Folge nicht zurück. Das fertig gebaute Atomkraftwerk wurde nie in Betrieb genommen und  wurde zum Symbol der demokratischen Mitbestimmung bzw. der Anti-Atomkraft-Bewegung in Österreich. Die Verhinderung des Atomkraftwerks Zwentendorf und die spätere Besetzung der Hainburger Au 1984 gelten auch als Geburtsstunde der österreichischen Grün-Bewegung. Das österreichische Parlament beschloss 1978 ein „Atomsperrgesetz“, das den Einsatz von Atomenergie in Österreich verbietet. Seit den Ereignissen von Zwentendorf  und der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 ist die  Mehrheit der österreichischen Bevölkerung gegen Atomkraft. 

 

Literatur:

Gerhard Strohmeier, „Umwelt“: Österreichische Mythen, Topoi und Erinnerungen. Die Gedächtnisorte „Zwentendorf“, „Hainburg“ und „das Waldsterben“, in: Emil Brix/ Ernst Bruckmüller/ Hannes Steckl (Hg.), Memoria Austriae I. Menschen Mythen Zeiten, Wien 2004.

Heimo Halbrainer (Hg.), Kein Kernkraftwerk in Zwentendorf! 30 Jahre danach, Gmünd 2008.

Robert Kriechbaumer, Nur ein Zwischenspiel (?). Die Geschichte der Grünen in Österreich: von den Anfängen bis 2017, Wien 2018.

Link:

https://www.protestwanderweg.at/akw/akw_03.php

[Text: Manuel Lemmerer/ Marco Resch, 2020; Foto: Kraftwerk Zwentendorf von Bwag/ Wikipedi

 


Das „Waldsterben“ (1980er)

 

Die Debatte über das „Waldsterben“ begann 1981 und erreichte 1984 ihren Höhepunkt. Der Kern der Diskussion war ein Katastrophenszenario. Demnach würde der Wald in wenigen Jahren vollständig absterben, wenn die Schadstoffe aus Industrie, Kraftwerken und Verkehr nicht stark reduziert werden. Als Hauptverursacher des sogenannten Waldsterbens galten Schwefeldioxide bzw. Stickoxide, die z.B. in Form des „Sauren Regens“ zu einer Versauerung des Bodens, direkter Schädigung der Pflanzen und zu einer Störung des biologischen Gleichgewichts führen können. Die Diskussion war geprägt von einer Mischung aus rational-wissenschaftlichen Erklärungen und heftigen Emotionen.

 

Das Thema Waldsterben wurde in den Medien zum Umweltthema Nummer 1. In Österreich veröffentlichte das Magazin „profil“ bzw. die „Kronen Zeitung“  große Titelstorys zum Waldsterben und auch in Deutschland wurde die Diskussion zum Medienereignis. Es kam zu einer Verknüpfung des Waldsterbens mit der Zukunft der Menschen, was in Zitaten wie z.B. „Wenn der Wald stirbt, stirbt auch der Mensch“ gipfelte und einen großen Teil der Bevölkerung beunruhigte. Die politischen Folgen dieser Waldsterben-Debatte waren konkrete Maßnahmen. Es wurde eine „Wald-Zustand-Inventur“ im Auftrag der Bundesländer durchgeführt, um die Schäden des Waldbeststands in Österreich zu dokumentieren. Eine weitere konkrete Maßnahme war die verpflichtende Einführung von Katalysatoren in PKWs, um die giftigen Stickoxide der Autoabgase in ungiftige Stoffe wie z.B. Kohlenstoffdioxid umzuwandeln bzw. zu reduzieren.  

 

Literatur

Gerhard Strohmeier, „Umwelt“: Österreichische Mythen, Topoi und Erinnerungen. Die Gedächtnisorte „Zwentendorf“, „Hainburg“ und „das Waldsterben“, in: Emil Brix/ Ernst Bruckmüller/ Hannes Steckl (Hg.), Memoria Austriae I. Menschen Mythen Zeiten, Wien 2004, S. 371-378.

Birgit Metzger, „Erst sirbt der Wald, dann du!“. Das Waldsterben als westdeutsches Politikum (1978-1986), Frankfurt 2015, S. 585-593.

 

Link

„Was wurde aus dem Waldsterben?“ Österreich Report (ORF) 5.7.2011    https://www.youtube.com/watch?v=vRo0PMqNX28

 [Text von Marco Resch, 2020; Foto von Marco Resch, 2020]


Hainburger Au (1984/85)

 

Nach Zwentendorf in den 1970er-Jahren lehnte die Gesellschaft in Österreich die Atomkraft ab. Nun suchte man nach anderen E-Lieferanten, z.B. Wasserkraft. So beschloss man den Bau eines Wasserkraftwerks an der Donau. Der Bau sollte aber die Zerstörung der Stopfenreuther Au zur Folge haben. Bereits in den Jahren davor war mit dem „Waldsterben“ allerdings Aufmerksamkeit auf die Vernichtung der heimischen Wälder und damit der Natur gelenkt worden. Aus diesem Grund wurde die WWF(World Wide Fund For Nature)-Kampagne „Rettet die Au“ ins Leben gerufen. Die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft initiierte ihrerseits ein Volksbegehren. Die Sache gewann durch das Einschalten politischer Parteien, umfassende Berichtserstattung sowie auch rechtlich fragwürdige Aktionen auf beiden Seiten (z.B. Störung einer Live-Übertragung durch Aktivisten und gewaltsames Vorgehen der Exekutive gegen Au-Besetzer im Jahre 1884) öffentliches Großinteresse. Unter immensem Druck stehend gab die rot-blaue Regierung den geplanten Bau im Folgejahr schließlich auf.  

 

Bei diesem Unterfangen unterstützten die Grünen die Aktivisten tatkräftig, was den weiteren Weg der Partei maßgeblich prägte. Im Jahre 1986 schaffte sie erstmals den Einzug in den Nationalrat.

 

Literatur

Ernst Hanisch, Landschaft und Identität. Versuch einer österreichischen Erfahrungsgeschichte, Wien 2019.

Robert Kriechbaumer, Nur ein Zwischenspiel(?). Die Grünen in Österreich von den Anfängen bis 2017, Wien 2018.

Robert Kriechbaumer, Zeitenwende. Die SPÖ-FPÖ Koalition 1983-1987 in der historischen Analyse, aus der Sicht der politischen Akteure und in den Karikaturen von Ironimus, Wien 2008.

 

Link:

https://www.protestwanderweg.at/au/index.php

 

[Text von Sabrina Girlinger, 2020; Foto aus der Stopfenreuther Au von Petra Schwab/Wikipedia, 2015]


Algen/Obere Adria (1989)

 

Eine sogenannte „Algenpest“ sorgte im Jahre 1989 für ein regelrechtes Tourismus-Desaster an der Adria. Mehrere Küstenabschnitte waren mit Algen überzogen. Sie präsentierte sich als stinkende, dunkelbraune Brühe mit mächtigen Schaumkronen. Badegäste brachen ihre Urlaube damals zu Tausenden ab. Auch heute leidet die Adria weitergehend unter „Meeresschnee“. Das Wasser gilt im Allgemeinen als verschmutzt und das maritime Ökosystem als stark belastet. Flüsse wie der Po speisen tagtäglich tonnenweise Chemikalien, Fäkalien etc. zu. Ein hoher Gehalt an Phosphat sowie Nitrat im Wasser begünstigen das Algenwuchern. Zusätzlich bevorzugen Algen nährstoffärmere Gewässer, wie eben das Mittelmeer.

 

Diese Algenteppiche bedecken den Meeresboden, wodurch die Sauerstoffzufuhr für die Lebewesen unterbrochen wird. Fisch- bzw. generelles Artensterben sind die Folge; ein Prozess, der immer schneller voranschreitet.

 

Literatur

European Environment Agency, Die Umwelt in Europa. Der zweite Lagebericht Meeres- und Küstenumwelt (Kapitel 10), pdf 1998.

Eva-Maria Gruber, Österreicher bekämpft Algenpest in der Adria, in: https://sciencev1.orf.at/news/16905.html, 2010.

 

[Text von Sabrina Girlinger, 2020; Foto: Symbolbild/ Christoph Kühberger, 2004]


Klimaveränderung - Galtür 1999, Hochwasser 2002, Hitzewellen 2003

 

Aus der heutigen Perspektive ist es nicht mehr möglich, globale klimatische Veränderungen abzustreiten. Die globale Klimaveränderung lässt sich nicht nur auf Basis der gemessenen Temperaturanstiege beschreiben, sondern es tragen auch viele andere nicht weniger wichtige Klimagrößen, wie zum Beispiel Häufigkeit, Intensität und Menge des Niederschlags dazu bei. Ferner wirkt sich menschliches Eingreifen in Umweltangelegenheiten negativ auf den Klimawandel aus. In den letzten Jahrzehnten ist es zu etlichen (Umwelt-) Katastrophen gekommen. Dazu zählen nicht nur Überflutungen oder Lawinenabgänge, sondern auch die Variabilität des Klimas sowie die Veränderlichkeit des Wetters. Beides kann zu verheerenden Folgen führen. Exemplarisch werden drei Extremsituationen in Österreich kurz beschrieben. Der Katastrophenwinter 1998/99 führte im Februar 1999 in Galtür in Tirol zu einem der riesigsten Lawinenabgänge, bei dem 31 Personen ums Leben kamen. Im August 2002 wurde Österreich durch die „Jahrhundert-Flut“ geprägt.  Hierbei entstand ein noch nie gemessener Gesamtschaden von ca. 2,9 Mrd. €. Das Extremjahr 2003 hatte im Monat August Maximaltemperaturen von 40C°. Diese Hitzeperiode war eine der schlimmste in ganz Europa.

 

Literatur

Helmut Jäger, Einführung in die Umweltgeschichte, Darmstadt 1994.
Markus Barnay, Die Lawine, Innsbruck 2004.
Verena Winiwarter (Hg.), Katastrophen in Natur und Umwelt, Wien 2006.
Florian Rudolf-Miklau / Johannes Hübl, Alpine Naturkatastrophe. Lawinen. Muren. Felsstürze. Hochwasser, Graz 2009.

 

[Text von Manuel Lemmerer, 2020; Foto vom Neussensee wurde freundlicherweise von der Bad Ischler Woche zur Verfügung gestellt, 2018]

 


Feinstaubbelastung/Tempo 80/ CO2-Steuer/Fridays for Future –
Aktuelle Umweltthemen

 

Noch nie wurde über die Umwelt und ihre mutmaßliche Zerstörung durch den Menschen weltweit derart heftig diskutiert. Während manche „Global Warming“ & Co. als falsch, oder gar als Verschwörung abtun, sprechen andere von einer Katastrophe biblischen Ausmaßes. Aus wissenschaftlicher Perspektive lässt sich eine massive Belastung der Umwelt nicht abstreiten. Verkehr, Industrie und Landwirtschaft produzieren z.B. erwiesenermaßen Feinstaub, winzige Partikelchen, die Schäden an den Atemwegen verursachen. In Österreich wurde die durchschnittliche Lebenserwartung vor dem Jahre 2000 aufgrund von Feinstaub um etwa neun Monate gesenkt. Man versucht, der Feinstaubbildung mit Ideen wie Tempo 80 statt Tempo 100 entgegenzuwirken. Eine weitere Maßnahme zur Entlastung der Umwelt ist die CO2-Steuer, die bis jetzt nicht umgesetzt wurde – für Unternehmer gälte, je höher die CO2-Emission, umso höher die Kosten. Davon erhoffe man sich eine allgemeine Senkung des ausgestoßenen Kohlendioxids, dem man schwere Klimaschäden zuschreibt.

 

Wie wichtig den Leuten aktuell die Umwelt ist, drückt sich z.B. durch „Fridays for Future" aus.

 

Dahinter steht eine weltweite soziale Bewegung, die auf dem Vorbild Greta Thunbergs basiert. SchülerInnen demonstrieren freitags zur Unterrichtszeit auf den Straßen, um die Sinnlosigkeit des Lernens zu symbolisieren, wenn es aufgrund der Vernichtung unseres Planeten doch sowieso keine Zukunft mehr geben wird. Ihre Forderungen sind u.a. eine Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung und eine ökosoziale Steuerreform, nebst anderen Maßnahmen zur „Rettung der Umwelt“. Auch Österreich beteiligt sich mit Fridays for Future Austria.

 

Literatur

Thorsten Hippe, Herausforderung Klimaschutzpolitik. Probleme, Lösungsstrategien und Kontroversen, Opladen/Berlin/Toronto 2016.

Bernd Meyer/Andreas Bockermann/Georg Ewerhart/Christian Lutz (Hg.), Marktkonforme Umweltpolitik. Wirkungen auf Luftschadstoffemissionen, Wachstum und Struktur der Wirtschaft, in: Umwelt und Ökonomie 28, Berlin 1999.

Guido A. Reinhardt/Andreas Heintz, Chemie und Umwelt. Ein Studienbuch für Chemiker, Physiker, Biologen und Geologen, 3. neubearb. Auflage, Wiesbaden 1993.

Deborah Weinbuch, Alle fürs Klima. Kids, Parents und Scientists - Seite an Seite für eine bessere Zukunft, München 2019.

N.N., Feinstaub: Luftschadstoff Nummer 1, in: https://www.gesundheit.gv.at/leben/umwelt/luftschadstoffe/feinstaub (12.1.2020)

N.N. Fridays for Future Austria, in: https://fridaysforfuture.at/regionalgruppen (12.1.2020)

 [Text von Sabrina Girlinger, 2020; Foto freundlicherweise zur Verfügung gestellt von von GABSCH, Salzburg 2019]